Beim Schauerroman, im Englischen "gothic novels" genannt, handelt es sich um ein Genre, das Mitte des 18. Jahrhunderts entstand und im ersten Viertel das 19. Jahrhunderts seine Blütezeit erlebte. Als erste gothic novel gilt das von Horace Walpole 1764 veröffentlichte Werk "The Castle of Otranto".
Schauerromane setzen sich hauptsächlich mit dem Überschreiten von sozialen, kulturellen und sexuellen Grenzen und Tabus auseinander und wenden sich somit der dunklen Seite der Aufklärung und der Industrialisierung zu. Aufgrund der teilweise für ihre Zeit expliziten Inhalte hing ihnen der Ruf nach, eine mindere Form der Literatur zu sein. Dies ist allerdings ungerechtfertigt, handelt es sich bei den gothic novels um ausgezeichnete Quellen über die in einer Gesellschaft vorherrschenden Normen, Ängste und Befürchtungen.
Nach seiner Blütezeit übte der Schauerroman weiterhin Einfluss auf die Englische Literatur aus und beeinflusste beispielsweise die Werke von Charlotte Brontë ("Wuthering Heights") oder Charles Dickens ("Bleak House"). Ferner flossen Elemente aus den Schauerromanen in spätere Genres ein, wie zum Beispiel Geistergeschichten, Kriminalromane, Mystery- und Horror-Literatur sowie Science Fiction.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden in gothic novels vermehrt die Grenzen des wissenschaftlichen Fortschritts und die daraus resultierenden Gefahren thematisiert. Bereits Mary Shelley übte in "Frankenstein" Kritik an der aufkommenden Naturwissenschaft, indem sie ein Schreckensszenario davon entwarf, was passiert, wenn der Mensch in Bereiche des sogenannt Göttlichen vordringt. Darwins Evolutionstheorie, die die Menschen in ihrem religiösen Glauben nachhaltig erschütterte und zur Krise der etablierten Religion beitrug, inspirierte Robert Louis Stevenson ("Dr Jekyl and Mr. Hyde"), Bram Stoker ("Dracula") und Oscar Wilde ("The Picture of Dorian Grey") zu Narrationen über die bestialischen und unbekannten Abgründe im Menschen selbst.
Das Genre des Schaueromans beschäftigte sich jedoch nicht nur mit der Inszenierung und Infragestellung von Wissensdiskursen, es drang auch in die Gefilde des Nicht-Wissens oder gar des Nicht-Wissen-Dürfens ein. So setzten sich Schriftsteller wie Edgar Allen Poe (z. B. "The Facts in the Case of M. Valdemar") mit den Möglichkeiten auseinander, die pseudowissenschaftliche Strömungen wie der Mesmerismus, Somnambulismus und moderne Spiritualismus zu eröffnen schienen.
In der Wissenschaft waren diese Bewegungen umstritten und die Untersuchung ihrer Phänomene wurden kritisiert und belächelt. Die Erforschung des Transzendenten wurde im Zeitalter des Positivismus als ausserhalb des Wissenschaftlichen betrachtet und galt daher als nicht untersuchbar. In der Literatur existierte eine vergleichbare Grenzziehung zwischen Wissen und Nicht-Wissen hingegen nicht. Michel Foucault sprach in den 1960er Jahren von der Literatur als imaginativen Gegendiskurs: In der Literatur können Grenzen überschritten werden, weil sie sich ausserhalb der üblichen Diskurszwänge befindet.
Es mag daher wenig erstaunen, dass in der Horror- und Science Fiction-Literatur bereits Mitte des 20. Jahrhunderts die möglichen Gefahren, die von Robotern und künstlicher Intelligenz ausgehen könnten, thematisiert wurden, so zum Beispiel in "I, Robot" von Isaac Asimov.
Weitere Informationen zum Thema:
Bibliographie:
Foucault, Michel (1974 [1966]): Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Suhrkamp, S. 76.
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